
AG-Beitrag "Geschichte der Flugmedizin" März 2013 zum: Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler
Deutsche Gelehrte bekannten sich, zumindest anfangs, in weitaus größerem Maße zur NS-Bewegung als bisher bekannt. Im „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“ vom 11. November 1933 zum Anlass der Feier der „nationalsozialistischen Revolution“ auf einer Festveranstaltung in Leipzig solidarisierten sich die meisten Universitäten mit „Adolf Hitler für des deutschen Volkes Ehre, Freiheit und Recht!“
Die Veranstaltung ist im gesamtpolitischen Kontext zu bewerten, wozu diese Internetquelle eine ausgewogene Darstellung bietet (Völkerbundaustritt, Reichstagswahl etc.). Unter den rund 900 Unterzeichnern finden sich auch der Hamburger Luftfahrtmediziner Ludolph Brauer sowie der Göttinger Physiologe Hermann Rein. Hubertus Strughold ist nicht auf der Liste, er war zu dieser Zeit aber auch nicht Funktionsträger der Universität Würzburg.
Vorangegangen war eine Veranstaltung der Hamburger Universität am 1. Mai 1933, in deren Rahmen sie sich zu Hitler als ihrem Führer bekannte. Der Prorektor Ludolph Brauer, der kein NSDAP-Mitglied war, ergriff hierbei Partei für die „große deutsche nationale Erhebung“: „Wir bekennen uns zu unserem kraftvollen Reichskanzler Adolf Hitler [...]. Wir haben des Mannes, der uns von der deutschen Zwietracht erlösen sollte, sehnsüchtig geharrt. Nun ist er erstanden. Freudig wollen wir ihm dienen.“ Der deutsch-nationale Brauer betonte die Wichtigkeit von Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft, Wehrhaftigkeit und Ehre, bevor er resümierte: „In diesen hohen Idealen werden unsere deutschen Universitäten zu allen Zeiten dastehen, weil es Deutsche sind, die an ihnen walten.“ (Uni-Hamburg, Kopie der Rede Brauers in der HBfUG; teilweise abgedruckt in: Bottin, 1992: S. 29). Ein knappes Jahr später wurde Brauer selbst aus politischen Gründen in den Ruhestand versetzt (Harsch, 2003: S. 11): Vorwürfe der „nationalen Unzuverlässigkeit“ aus Kreisen der Ärzte- und Studentenschaft gingen einher mit seiner zeitgeistlich nicht opportunen Logenzugehörigkeit. Die Ärztekammer der Hansestadt hielt ihn daher für einen der „übelsten Reaktionäre“. (Vgl. Harsch, 2003: S. 11 Anm. 21)
Brauer, Rein und Strughold gaben seit 1935 die Zeitschrift „Luftfahrtmedizin“ heraus. Karl Heinz Roth geht in seinem Beitrag aus 2001 auf die führenden Flugmediziner jener Zeit ein, zu denen er die „deutschnationalen Wissenschaftler vom Schlag eines Franz Büchner, Hermann Rein oder Hubertus Strughold“ rechnet (Roth, 2001: S. 113): „Auch sie konnten durchaus auf völkisch bewegte Freikorps- und Studentenzeiten zurückblicken und sannen auf die kriegerische Revision der 'Schmach von Versailles'.“ Zwei Jahre zuvor spekulierte Roth zudem über eine angebliche antisemitische Haltung von Strughold, die er mit folgendem Indiz zu belegen sucht (Roth, 1999: S. 58f. und Anm. 28): „Der am Luftfahrtmedizinischen Forschungsinstitut tätige Zoologe Hans W. Denzer korrespondierte beispielsweise im Frühjahr 1941 ausführlich mit seinem Direktor Hubertus Strughold über die ´Entjudung´ eines 1933 nach Holland emigrierten weltbekannten Wissenschaftsverlages, in dem Denzer als 'arischer Herausgeber' verschiedene Publikationen des Luftfahrtmedizinischen Forschungsinstituts vorbereitete.“ In der Anmerkung schränkt Roth jedoch ein, dass im Freiburger Bundesarchiv-Militärarchiv zwar die Briefe und Arbeitspapiere Denzers an Strughold, nicht jedoch dessen Antwortschreiben enthalten seien. Trotzdem kommt er zu dem, wohl politisch motivierten, Schluss, dass Strughold „mit dem Vorgehen Denzers einverstanden war“.
Literatur:
http://www.uni-hamburg.de/wandlungsprozesse/wandlungsprozesse_5.html
Bottin, Angela unter Mitarbeit von Rainer Nicolaysen: ENGE ZEIT. Spuren Vertriebener und Verfolgter der Hamburger Universität (Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 11 [zuerst Ausstellungskatalog, Hamburg 1991]). Berlin/Hamburg 1992.
Harsch V. Das Institut für Luftfahrtmedizin in Hamburg-Eppendorf (1927-1945). Rethra-Verlag, Neubrandenburg 2003.
Harsch V. Leben, Werk und Zeit des Physiologen Hubertus Strughold. Rethra Verlag, Neubrandenburg 2004.
Roth K.H. Strukturen, Paradigmen und Mentalitäten in der Luftfahrtmedizinischen Forschung des „Dritten Reiches“ 1933 bis 1941: Der Weg ins Konzentrationslager Dachau. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 1999: 49-77.
Roth K.H. Tödliche Höhen: Die Unterdruckkammer-Experimente im Konzentrationslager Dachau und ihre Bedeutung für die luftfahrtmedizinische Forschung des „Dritten Reiches“.
In: Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozeß und seine Folgen. Hrsg. v. Ebbinghaus A. und Dörner K. Aufbau-Verlag, Berlin 2001: 110-51.
Dr. Harsch, Neubrandenburg 15.03.2013 (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)