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Warum die Flüge von Richard Branson und Jeff Bezos wichtig sind

Prof. mult. Dr. med. Dr. rer. nat. Oliver Ullrich, Zürich, Jena und Magdeburg

Als Sir Richard Branson am 11. Juli 2021 mit der VSS Unity von Virgin Galactic und am 20. Juli 2021 Jeff Bezos mit der New Shepard von Blue Origin erfolgreiche suborbitale Raumflüge absolvierten, liefen die Kommentarspalten der Medien in Deutschland heiss und überboten sich gegenseitig mit Schmähartikeln. Die Tagesschau titelte von «Milliardärsspielzeug» und sprach von einem «Hobby von reichen älteren Männern».

«Wie im Kindergarten» und «Galaktischer Größenwahn» waren noch die harmloseren Reaktionen, andere erhoben Verbots- und Enteignungsforderungen. Tatsächlich erscheinen kommerzielle Suborbitalflüge für «Superreiche» auf den ersten Blick als unsympathisch, als elitäre und nutzlose Ressourcenverschwendung. Aber ein zweiter und tieferer Blick hinter den Horizont lohnt.

Erstens handelt es sich bei den Unternehmungen nicht um Steuergelder, sondern um privat finanzierte Programme, die in der Entwicklungsphase schlichtweg zahlende Nutzer erfordern, um die technologische Reife so weit voranzutreiben, dass später einmal anspruchsvolle Einsätze in Forschung und Entwicklung möglich sind. Keine staatliche Stelle wäre bereit, ein derartige Risikoinvestition aufzubringen. Der öffentliche Aufschrei wäre enorm. Kommerzielle Raumflüge können die Zugangsmöglichkeiten zu Schwerelosigkeit für Forschung und Entwicklung massiv erhöhen. Arbeiten nämlich eines Tages professionelle Wissenschaftler an Bord, lässt sich die Komplexität und Leistungsfähigkeit von Weltraumexperimenten massiv steigern. Ein bemanntes Suborbitalexperiment wird deutlich günstiger sein, als die seit Jahrzehnten im Einsatz befindlichen staatlichen unbemannten suborbitalen ballistischen Forschungsraketen, bei gleichzeitig breiterem Nutzungspotenzial. Weltraumtourismus kann daher eine technologische Entwicklung unterstützen, von der wie eines Tages alle profitieren.

Zweitens profitiert auch die Raumfahrtmedizin. Die FAA lässt im Bereich der suborbitalen Raumfahrt den Betreiberfirmen den notwendigen Entwicklungs- und Erprobungsspielraum, um Wissen und Erfahrung mit bemannten suborbitalen Raumflügen zu erwerben, medizinische Risiken besser einzuschätzen und zu vermindern. Gerade der Erwerb von Wissen und Erfahrung mit einem Personenkreis aus der „Normalbevölkerung“ kann sich als extrem wertvoll für die zukünftige Exploration des Weltraums durch den Menschen erweisen. Sollten Raumflüge eines Tages nicht mehr ausschliesslich einer hochselektieren Gruppe staatlicher Berufsastronauten zugänglich sein, sondern zu einem regulären Bereich menschlicher Mobilität werden, bracht es dringend Erfahrung.

Bleibt das Argument eines «Spielzeugs für Superreiche». Die Geschichte ist voll von «ersten Malen», von Experimenten, von Pionieren und Hasardeuren. Das waren fast immer Menschen, die privilegiert und finanziell unabhängig waren und sich somit Dinge «leisten» und voranbringen konnten. Die erste Handvoll Automobilisten am Ende des 19. Jahrhunderts fuhr das Automobil aus «Spass», am Steuer oft abenteuerlustige Söhne adliger Familien oder von Grossindustriellen, die auf ihren Ausflügen oft verhöhnt und beleidigt wurden. Die Argumente waren dieselben wie heute. So wie das Automobil sowohl für Freizeit und Spass, als auch Nutzeinsätzen dient, kann gerade die diverse Nutzung von Raumfahrzeugen die technologische Reife vorantreiben, Serienfertigungen möglich machen und damit eines Tages einen breiten Zugang zum Weltraum. Jede Neuentwicklung war zu Beginn immer nur «für wenige», das kann man praktisch über alles sagen, was sich in der Menschheit getan hat, seit wir die Höhlen und Bäume verlassen haben. Lasst uns auch davon ausgehen, dass Sir Richard Branson und Jeff Bezos sehr gut verstehen, wie Innovation funktioniert. Im Gegensatz zu manchen Kritikern, die nicht verstehen können, dass selbst ein erster mit viel Trara gefeierter kurzer Ausflug ins All später einmal einen dauerhaften Fortschritt für alle Menschen darstellen kann. Diese Flüge sind der Anfang, nicht das Ende.

Zürich, den 23.08.2021

 

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